Die Befürchtung, der Mutterrolle nicht gerecht zu werden, kann schwer belasten. Je größer die Diskrepanz zwischen dem Selbstbild einer Frau und ihrem Idealbild als Mutter, so eine Studie aus 2023, desto höher auch das Risiko einer postpartalen oder Wochenbett-Depression*. Klarheit kann helfen.
Elternschaft ist eine Rolle, die sich nicht proben lässt. Die Frage "Bin ich gut genug?" treibt viele angehende Mütter, aber auch Väter, um. Überhöhte Maßstäbe an sich selbst zu setzen, ist keine gute Idee, kann aber gerade Ausdruck von Besorgnis und übergroßer Angst vor Fehlern sein: An wirklich alles denken, um bloß nichts falsch zu machen! Wer sich auf diese Weise unter Druck setzt, bringt sich um die Chance auf Entspannung und Freude in der Schwangerschaft und der ersten Zeit mit Kind.** Wie wäre es stattdessen, auf die Frage was gut genug ist, eine Antwort zu finden? Ein Vorschlag:
Was ist gut genug?
Gut genug mag wie gerade ausreichend klingen, nicht wie toll. Und darum geht es genau. Zum Zweck der Entlastung bei übergroßen Befürchtungen. Darum, zu unterscheiden zwischen den Dingen, um die wir uns als frisch gebackene Eltern wirklich kümmern müssen, und dem, was in der Konsequenz keine Rolle spielt. Wer die Elternrolle mit Unnötigem aufbläst und sich damit am Ende ängstigt und runterzieht, tut weder sich noch dem Kind einen Gefallen. Machen wir uns davon mal frei.
Es gibt selbstverständlich keine Definition von so etwas wie einer guten Mutter oder einem guten Vater. Aber wir können für ein gut genug in der Ausübung der Mutter-, Vater- oder Elternrolle beim Wohlbefinden des Kindes (plus ggfs. auch der älteren Geschwister, die jetzt vielleicht auch besondere Zuwendung benötigen) Maß nehmen. Was ist für ein Neugeborenes wirklich wichtig, was braucht es? Genau. Es muss trinken, wann immer es Hunger hat, warm und trocken gehalten werden und es braucht sehr viel elterliche Nähe, Geborgenheit und Zuwendung. Um zu lernen, was wann gefragt ist und wie es sich jeweils äußert, ist genaue Baby-Beobachtung das Mittel der Wahl. Und vielleicht sind da individuell ein paar weitere Dinge, die Ihre Hebamme weiß. In den meisten Fällen, wenn das Kind gesund ist, ist die Liste kurz. Kürzer als die Liste der Dinge, die in den ersten Tagen und Wochen unwichtig oder nice-to-have sind (von der Sie aber, solange es nicht zum Stressor wird, unbedingt wählen sollen, was Ihnen jetzt gut tut). Wie gut!
Wie kann ich sicher sein?
Vollkommene Sicherheit gibt's ja nie, aber gegen starke Besorgnis lässt sich noch weiteres tun. Sie sind sich der Bedürfnisse Neugeborener bewusst, aber unsicher, sie auch verstehen und stillen zu können? Dann tun Sie gut daran, Ihre Unsicherheiten konkret zu benennen und dafür schon im Vorhinein ebenso konkrete Lösungen zu finden: Was tue ich/was tun wir, wenn...? Notieren Sie alle Fragen und gehen Sie auf die Suche nach vertrauenswürdigen Quellen, um sinnvolle Antworten zu finden. Notieren Sie auch diese. Und vor allem: Zögern Sie nicht, neben der Nachsorge durch Ärztin und Hebamme auch für ein Netz aus Unterstützer:innen zu sorgen, das Sie bereits in Ihrer Vorstellung auffängt, bevor es soweit ist: Ausgewählte Freunde und Verwandte, die gern bei Bedarf für Sie einkaufen oder Suppe und Zuversicht vorbeibringen würden. Potentielle Unterstützung zu organisieren, gibt auch Kontrolle zurück.
Was kann ich für meine Stimmung tun?
Mit der Elternschaft sind emotionale Turbulenzen verbunden: Bei Frauen durchläuft der Körper verschiedene Phasen hormoneller Veränderung, die schon für sich genommen nicht leicht zu verarbeiten sind. Für Frauen wie Männer bringt die Elternschaft darüberhinaus auch vergrabene Erinnerungen, eigene Erfahrungen mit Kindheit, positive wie negative, an die Oberfläche. Das kann Verwirrung stiften, manchmal starke Verunsicherung.
Und schließlich verläuft nicht jede Geburt und nicht jede Zeit im Anschluss an die Geburt wie erwartet. Dass nicht nur die Freude über das Neugeborene diese Zeit bestimmt, ist okay. Was aber schädlich ist, sind sehr negative Gedanken, mit denen sich Eltern zum Teil bereits vor ("Ein Kind erziehen, das schaff ich doch nicht!") und vor allem nach der Geburt (Nichtmal das Stillen gelingt, ich bin schon jetzt eine schlechte Mutter! Ich bin Schuld, dass...") selbst pauschal abwerten. Nach der Entbindung spielen, oft unbewusst, Überzeugungen davon, in irgendeiner Weise unfähig oder schuldig zu sein, eine Rolle. Gefühle wie Angst und Niedergeschlagenheit, manchmal auch Wut, sind die Folge. Auch hier hilft: Genau hinsehen!! Konkret heißt das, sich zu fragen: Wie komme ich auf diesen Gedanken? Woher hab ich den? Passt diese sehr negative Bewertung oder bewerte ich mich als Person, wo es eigentlich um eine konkrete Handlung oder Situation geht? Würde ich ebenso hart und undifferenziert über eine Freundin urteilen?
Prüfen Sie Ihre Schuld-Gedanken! - Treffen sie auf den zweiten Blick wirklich zu, lässt sich das so eindeutig sagen? Und helfen Schuldzuschreibungen bei irgendetwas? Wenn nicht, dann stopp! Verändern Sie ein wenig die Perspektive: Nicht alles ist schlecht, sondern Sie sind gerade müde und es könnte helfen, wenn Ihre Freundin heute kommt, das Kind für zwei Stunden nimmt und Ihnen etwas Schlaf ermöglicht. Konzentrieren Sie sich auf kleine Lösungen, statt auf pauschale Urteile über Ihre Person. Denken Sie nicht, anderen Frauen falle es leicht, denn das wissen Sie nicht und ist es nicht auch schlicht irrelevant? Ihre Bewertungen sind (nur) Ihre Bewertungen, also seien Sie zu sich so fair, wie Sie es auch im Umgang mit anderen wären.
Und übrigens: In Nächten, in denen man wenig Schlaf bekommt, denkt man oft: Wie lange soll das bloß so gehen..? In der Gesamtbetrachtung eines Lebens sind es so wenige Nächte, in denen man sein Kind trägt oder wiegt, bis es wieder einschläft, dass man auch im Gegenteil wehmütig an ihnen festhalten könnte, weil diese Zeit so schnell wieder vorbei ist.
„Die Wahrheit ist heute wie früher: Nach einigen Jahren ist der Spuk vorbei, die meisten Jugendlichen werden durchaus vernünftige Erwachsene.“ Remo Largo
*Studie "Die Bedeutung von Idealbild und Selbstbild der Mutterrolle und der Zusammenhang zur Entwicklung einer postpartalen Depression" von Friederike Echtler-Geist: https://tobias-lib.ub.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/141738/Dissertation%20Echtler-Geist.pdf?sequence=1&isAllowed=y
**//Wer an einer psychischen Erkrankung leidet bzw. schon früher depressive Episoden hatte, benötigt ärztliche und/oder psychotherapeutische Hilfe. In diesem kurzen Beitrag geht es lediglich darum, mit den zusätzlichen Stressoren, die einen babyblues oder eine depressive Episode auslösen oder begünstigen können, einen Weg zu finden, der es leichter machen kann.//
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