Wenn wir den Zufall ein Stück weit zwingen könnten, zu bringen, was wir uns so oder ähnlich wünschen, ginge es uns gut, denn wir würden unsere Projekte leichter auf den Weg bringen. Anhand zweier, selten verwendeter Begriffe lässt sich zeigen, warum und wie wir auf das, was wir wollen - und damit indirekt auch auf unser Wohlbefinden - Einfluss nehmen können.
Wenn jemand genau an dem Tag, an dem er den Entschluss fasst, seine Musikkarriere aus Geldmangel an den Nagel zu hängen, für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgelost wird, ist das ein Musterbeispiel für Synchronizität. Das zeitliche Zusammentreffen von Entschluss und Ereignis scheint zu erstaunlich zu sein, um es profan einen Zufall zu nennen. Eine Studie aus 2020* zeigt nun, dass Synchronitäts-Erfahrungen großen Einfluss auf unser Denken haben können: Menschen, denen etwas scheinbar Überzufälliges geschieht, fühlen sich entweder besonders bestätigt in dem, was sie bereits tun, oder sie krempeln nach einer solchen Erfahrung ihr Leben um, um ihm mehr Bedeutung zu geben.
In jedem Fall ändern sie ihre Lebenseinstellung in einem wesentlichen Punkt: Sie glauben künftig daran, dass die Dinge, die ihnen geschehen, einen Sinn ergeben. Und wie wir wissen, ist Lebenssinn eine Hauptzutat für psychisches Wohlbefinden.
Aber Synchronität befördert nicht nur Lebenssinn. Mit der neu gewonnenen Zuversicht in das, was ihnen widerfahren könnte, ändern sich grundlegende Einstellungen und Verhaltensweisen der betroffenen Personen: Der Studie zufolge entwickeln sie mehr Offenheit gegenüber bislang unentdeckten Seiten des Lebens und seinen Gelegenheiten, eine höhere Bereitschaft, den Sinn hinter Erlebnissen oder Erfahrungen zu sehen, eine gesteigerte Motivation, ein höheres Maß an Selbstbestimmung und größere emotionale Intensität. Wer so durchs Leben geht, zwingt sein Glück gewissermaßen. Mit anderen Worten: Als Folge von Synchronitäts-Erfahrungen entwickeln Menschen genau das, was es braucht, um glückliche Fügungen selbst zu begünstigen.
Bei glücklichen Fügungen muss es sich nun aber nicht immer um Synchronizität handeln, es gibt auch verwandte Phänomene: Hier kommt eine weiterer, sperriger, Begriff ins Spiel: Serendipität. Serendipität bezeichnet die zufällige Entdeckung von etwas ursprünglich (so) nicht Gesuchtem. Viele große Erfindungen sind Beispiele für Serendipität: die Entdeckung Amerikas, des Penicillins, der Nylonstrümpfe und der Teflon Pfanne. Die Bedingungen, unter denen Serendipität entsteht, scheinen merkwürdig widersprüchlich: Einerseits muss man dafür ein Thema oder Anliegen bereits im Kopf haben und damit irgendwie gedanklich oder buchstäblich experimentieren. Andererseits muss man offen genug sein für etwas, das man so, wie es eintritt, gar nicht geplant oder auch nur gedacht hatte. So war die Erfindung von Teflon, welches uns nicht-haftende Töpfe und Pfannen bescherte, eher ein zufälliger Fund, den der Forscher Roy Plunkett machte, während er mit Gasen experimentierte, um ein Kältemittel für Kühlschränke zu entwickeln.
"Ich lasse zu, dass der Zufall mich findet" (Svenja Flasspöhler*)
Sie erraten sicher, dass auch Serendipität das Wohlbefinden stärkt. Dazu muss man nicht Amerika entdecken. Es sind die alltäglichen kleinen Zufälle, die uns das Leben erleichtern, wenn wir a) ein Anliegen oder Projekt intensiv verfolgen und b) offen sind für Gelegenheiten. Wir fühlen uns stark, weil wir mit unserer Einstellung und unserem Tun die Dinge in eine gute Richtung bewegen und kleine Erfolge verbuchen können. Unser Tun bewerten wir als sinnvoll, weil es unseren Zwecken dient. Dabei kommt manches anders als erwartet - schließlich sind wir nicht allein für den Gang der Dinge zuständig - aber wegen unserer positiven und aktiven Herangehensweise wertschätzen wir unseren Anteil am Endergebnis.
Überzufällig erscheinende Ereignisse (Synchronizität) fördern also solche Einstellungen und Verhaltensweisen, mittels derer wir selbst die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich die Dinge so entwickeln, wie wir es wollen oder wie es uns nützt. Aber brauchen wir überzufällige Ereignisse, um zulassen zu können, dass uns der Zufall findet? Können wir nicht auch ohne sie eine optimistischere Einstellung annehmen, spielerischer sein und stärker ins Experimentieren und Erproben kommen?
Wir können. Das fällt manchen Menschen leichter als anderen, aber grundsätzlich - darauf beruhen alle kognitiven Psychotherapie-Verfahren - können wir auf unser Denken und damit auch unser Verhalten in gewissem Maß Einfluss nehmen. Zum Beispiel, indem wir uns pessimistische Glaubenssätze - "das wird doch nie was!; "ist doch unrealistisch"; "Schuster, bleib bei deinen Leisten" - vornehmen und zum einen realisieren, wie sie sich als Knüppel zwischen unseren Beinen erweisen, zum anderen prüfen, ob sie überhaupt angemessen sind.
Das ist ein weites Feld. Aber falls Sie bereits mit Engagement ein Projekt verfolgen, das Ihnen wichtig ist: Kommen Ihnen auch die besten Ideen beim Duschen...? Dann sind Sie dafür bereit, vom Zufall gefunden zu werden.
*
Pninit Russo-Netzer und Tamar Icekson (2020): Engaging with life: Synchronicity experiences as a pathway to meaning and personal growth. Curr Psychol (2020). https://doi.org/10.1007/s12144-019-00595-1.
Svenja Flasspöhler und Miriam Meckel zu Gast bei Barbara Bleisch in Sternstunde Philosophie (2019), SRF Kultur:https://www.youtube.com/watch?v=Y4JimwjXeQs&t=295
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