Weihnachtszauber, Geist der Weihnacht und Magie des Heiligen Abends klingen nach Vorkriegs-Bilderbuch oder aktuellen Netflix-Titeln und weniger nach dem, wozu sich aufgeklärte Menschen im 21. Jahrhundert alljährlich zusammenfinden. Aber ist das so?
Man kann Weihnachten schrecklich finden. Und die tausend Geschichten, in denen ein vom rechten Pfad Abtrünniger schließlich Weihnachten doch toll findet, gleich mit. Aber schieben wir doch mal kurz alle Bewertungen (peinlich, sentimental usw.) zur Seite. Wie geht es Ihnen mit Weihnachten? Und wie war es als Kind?
Wenn ich an Heiligabenden mit Geschenketüten und froher Erwatung im Zug saß oder auf dem Rückweg von der Familienfeier Blicke auf beleuchtete Tannenbäume in den Fenstern erhaschen konnte … lag da nicht etwas in der Luft? Seit Kindertagen kenne ich ein Gefühl, das ich nur mit dieser Zeit im Jahr verbinde. Vorfreude? Naja, um mich zu freuen, muss nicht Weihnachten sein. Sagen wir, es ist mehr Stimmung als Gefühl. Der Adventskalender, der in meiner Kindheit über dem Bett hing, war auch dann noch atmosphärisch aufgeladen, wenn an den goldenen Ringen kaum noch Päckchen hingen. Die kleinen Filzengel auf rotem Grund waren keine Sensation, aber ich mochte sie mir immer wieder ansehen. Weihnachten war so viel mehr als ein Familienessen mit Gans und Geschenken.
Ich mag mich auch heute durch die eklektizistische Weihnachtssymbolik aus Kitsch, Konsum und Kirche nicht davon abbringen lassen. Komischerweise stört sie mich gar nicht. Als wären die keksduftenden Weihnachtszeiten für mich zu etwas verschmolzen, das sich bis heute gut anfühlt. Ist das Magie?
Dann wäre Magie aber nichts, das den Dingen eigen ist, denn schließlich mag nicht jeder Weihnachten. Es wäre vielmehr etwas, das wir in Phänomenen oder Situationen sehen. Weil wir damit bestimmte Gefühle und Assoziationen abgespeichert haben. Mit der Zeit erscheinen Mandel und Mistelzweig magisch, weil sie in uns all das wecken, mit dem sie einst verbunden waren.
Diese Verbindungen können aber nicht nur verblassen, sondern auch der eigenen rationalen Zensur zum Opfer fallen. Weihnachten ist dann eben doch ein Familienessen mit Gans und Geschenken. Wie schade. Und wehe dem, es gibt Streit und die Gans ist trocken!
Aber man sich für die zauberhafte Stimmung entscheiden. Wie Kinder im „magischen Alter“, die mühelos zwischen kausalem Denken und der Vorstellung, Gegenstände seien beseelt, hin und her switchen*. Was für eine Gabe! Magie - nach diesem Verständnis - ist klimaneutral, kostenfrei und wunderbar wohltuend.
Wer kann, träume weiter. Eine schöne Weihnachtszeit Ihnen!
Kleiner Tipp für Familien: „Morgen, Findus, wird’s was geben!“ ist ein Bilderbuch für Menschen ab etwa fünf Jahre, das gekonnt mit unseren magischen Vorstellungen und Wünschen spielt! Herrlich!
*z.B. Gebhard, Ulrich/Billmann-Mahecha, Elfriede/Nevers, Patricia (1997): Naturphilosophische Gespräche mit Kindern. Ein qualitativer Forschungsansatz. In: Schreier, Helmut (Hrsg.): Mit Kindern über Natur philosophieren. Heinsberg: Dieck-Verlag, 130-153.
Comments