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Ich hab ja keine Zukunft mehr - TEIL II

Aktualisiert: 7. Sept. 2022


Auf drei typische Denkmuster trifft man bei Menschen mit negativen Erwartungen an ihre Zukunft. Denken Sie auch so? Und falls ja, geht's auch anders?

"Ach weißt du, ich hab ja keine Zukunft mehr!" - "Wie meinst du das?" - "Naja, da kommt ja nichts Spannendes mehr." - "Meinst du?" - "Ausbildung, erster Job, Beziehung, Umzug, Kinder - liegt doch alles bereits hinter mir. Was kann ich jetzt schon noch erwarten?!" - Wer so denkt, sorgt selbst dafür, dass die negative Prognose auch eintrifft. Warum aber denken wir (leider relativ viele Menschen) dennoch so?

Zwei Überlegungen vorab: Weil es hier um Denkmuster geht, nicht um ein genaues Alter oder einzelne Personen, teile ich das Leben in zwei Hälften und spreche von erster und zweiter Lebenshälfte. Und was ist mit 'spannend' gemeint: Spannend bedeutet soviel wie sehr interessant, Erregung oder Neugier hervorrufend, oft ein meist angenehmes Gefühl des Grusels oder der gebannten Faszination erzeugend (Wiktionary). Wir verwenden den Terminus, um unser Interesse auszudrücken - was wir spannend finden, hat für uns irgendeine Form von Bedeutung.

Welches Muster steckt nun dahinter, wenn jemand denkt, in seiner zweiten Lebenshälfte komme, anders als in der ersten, nix Spannendes mehr?

Das war schon immer so. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, dann war's das. Oder meinst du, dass man mit 90 noch Gold in Stabhochsprung holt!?

Denkmuster 1: Generalisieren. Aus dem, was die Eltern und Großeltern einer Person taten (das war schon immer so), wird auf Aussagen über ihre eigene Zukunft geschlossen. Als sei der Lauf des Lebens eben so. Für alle Zeit. Das stimmt nicht und wirkt bei Lichte betrachtet angesichts unserer extrem veränderlichen Zeit antiquiert. Wir können uns verschiedene Zukünfte ausmalen, davon eine anpeilen und uns dafür einsetzen, dass sie Realität wird - egal, was die Generationen vor uns aus ihrem Leben gemacht haben.

Und ja, wir werden so schnell niemanden finden, die oder der mit +90 Gold in Stabhochsprung gewinnt. so, wie auch Familiengründung nicht in jeder Phase des Lebens möglich ist. Aber für 6-Jährige gilt das Gleiche, auch sie nehmen weder an Olympiaden teil noch bekommen sie Kinder. Und wer hätte sich eine 17-Jährige mit Nobelpreis vorstellen können, bevor Malala Yousafzai ihn 2014 erhielt!? - Von einzelnen Einschränkungen in der zweiten gegenüber der ersten Lebenshälfte auf eine ingesamt geringere Zahl an Chancen zu schließen, ist falsch, eine Quantifizierung nicht möglich. Ob wir etwas als Chance begreifen, ist schließlich davon abhängig, was wir uns vorstellen können.

In beiden Fällen generalisieren wir unzulässig.

Das tu ich mir nicht an! Da bin ich ja ewig unterwegs!

Denkmuster 2: Null-Verzicht-Denken. In unserer zweiten Lebenshälfte sehen wir - statistisch betrachtet - ÄrztInnen und ApothekerInnen häufiger als in der ersten. Wenn manches schwerer fällt, als man es gewohnt war, müssen wir alle lernen, damit umzugehen. Null-Verzicht-Denken erkennen wir bei uns oder anderen daran, das wir nicht akzeptieren, dass wir jetzt auf Ernährung, Bewegung usw. achten und entsprechend Zeit und Energie investieren müssen. Gemäß Null-Verzicht-Denken sehen wir gar nicht ein, das Leben soll gefälligst leicht sein!

Als würde uns jemand etwas streitig machen, halten wir an Annehmlichkeiten fest, die uns langfristig nicht gut tun oder unsere Ziele torpedieren. Die Chancen-Vielfalt schrumpft, weil Aktivitäten zu mühsam und anstrengend erscheinen und es irgendwann, als Folge des Null-Verzichts, auch tatsächlich werden. Alles gut, solange wir mit diesem Denken ein Leben führen können, dass wir selbst tatsächlich so spannend finden, wie wir es uns wünschen und erwarten.

Ach, man sollte da nicht mehr so viel erwarten.

Denkmuster 3: Versicherungsdenken. Lieber nichts erwarten! Dann wird man später nicht enttäuscht. John Lennons' Songzeilen "Life is what happens when you're busy making other plans" betont, dass es manchmal anders kommt, als man dachte oder hoffte. Unkalkulierbare Rahmenbedingungen können uns einen Strich durch die Rechnung machen, das können wir nie ausschließen. Aber Blätter im Wind sind wir deswegen noch nicht. Es steht in unserer Macht, unserem Handeln Ziele und Richtung zu geben, die Folgen und Wechselwirkungen verschiedener Optionen zu überschlagen, Entscheidungen zu treffen, diese umzusetzen und gegebenenfalls nachzujustieren. Sicherheit, das müssen wir akzeptieren, gibt es nicht. Wer aber seine Ziele tief stapelt, mag nicht von seinen Erwartungen enttäuscht werden, dafür aber vom Leben.


Geht es auch anders? Ja. Wer möchte, kann seine Bewertungen und Denkmuster verändern. Auch, was wir spannend finden, beruht auf Bewertungen, die unsere eigenen und durchaus veränderlich sind. Vielleicht muss ja Stabhochsprung nicht das Spannendste im Leben bleiben. Näheres zum gelingenden Neudenken in Teil III.


Mehr zu Denkmustern und -fallen:

Harlich H. Stavemann (2018): Im Gefühlsdschungel. Emotionale Krisen verstehen und bewältigen. Beltz.

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